„Sinnlichkeit und Sexualität im Zeitalter der Bewusstseinsseele“ war der Titel eines Seminars das, das „Aeoni-Projekt vom Sinn der Sinnlichkeit“ (ehemals Anthroposophie und Tantra) im Studienhaus Rüspe anbot. Seminarleiter war Arno Pillwein, assistiert von Ines Dulay-Winkler. Spannend war für mich die Frage, wie die Kombination von Anthroposophie und Tantra in der Praxis aussehen sollte. Wie würden die Schwerpunkte Denken und Bewusstsein einerseits und Transformation sexueller Energie andererseits sinnvoll kombiniert werden? Ich hatte bei Rudolf Steiner einen Ansatzpunkt gefunden. Er schreibt, dass der Erkenntnissuchende den Genuss suchen muss, denn nur durch ihn, käme die Außenwelt an ihn heran.
Die erste Frage an die Teilnehmer des Seminars lautete dann auch,
welche Assoziationen bei Anthroposophie und Tantra auftreten. Interessant
fand ich Arnos Bemerkung, Anthroposophie sei Tantra im Denken und Tantra
praktische Geisteswissenschaft. Er strich die Wichtigkeit der individuellen
Freiheit hervor, vor allem was die absolute Entscheidungsfreiheit bei den
einzelnen Übungen anbelangt. Nur pünktlich sollte man sein. Dies
wurde scheinbar überhört. Wir erfuhren, dass die Stufen des anthroposophischen
Erkenntnispfades die Imagination, die Inspiration und die Intuition mit
Erspüren, Dialog und erfahrbarer Erkenntnis zu tun haben. Nach einer
energetisierenden Kundalinimeditation, konnten wir paarweise den individuellen
Stellenwert und das Wesen unserer Sinnlichkeit und Sexualität ergründen.
Der erste Tag schloss mit einem Gruppenerlebnis, namens „Ur-Ei“.
Am nächsten Morgen widmeten wir uns der Erfahrung der Chakren
im Stillen und in Bewegung. Die Chakren sind Widerspiegelungen geistiger
Hierarchien und die höchsten Hierarchien befinden sich in den untersten
Chakren. Steiner beschreibt den Weg über die Chakren ja unüblicherweise
von oben nach unten, ohne allerdings jemals unten anzukommen. Arno meint,
beide Wege von unten nach oben und umgekehrt, stellten den rhythmischen
Prozess dar. Die Anthroposophie bereichert das Tantra durch die Lehre über
12 Sinne. Neben den bekannten fünf, sind dies zum Beispiel der Lebenssinn,
der Gedankensinn oder der Ichsinn. Um zu entdecken, welche Anregungen diese
fürs Leben im Jetzt bringen, wurde letzterer gleich erfahrend erspürt.
Am Nachmittag gab es getrennte Männer- und Frauengruppen mit einem Austausch über den geschlechtsspezifischen Lebensweg. Ich erlebte dies als sehr verbindend und angenehm unkompliziert. Ob es den Frauen ähnlich erging ? Sie tauschten sich jedenfalls „unendlich“ länger aus, so dass das Ritual der Wiederbegegnung auf sich warten ließ.
Die Erlebnisberichte des Vortages in der Morgenrunde waren äußerst
unterschiedlich. Was einige Teilnehmer als natürlich und angenehm
empfanden, war für andere enttäuschend oder ärgerlich. Arno
meinte, dass das Leben aus lauter Hindernissen besteht und trotzdem stattfindet
und Ines, dass doch am Widerstand das Bewusstsein erwache. Mir persönlich
ging es bei dem Erleben der verschiedenen Erfahrungen des Mann- und Frauseins
wiederholt durch den Kopf: „It’s only rock’n roll‚ but I like it.“ Die
sinnlich-kunstvollen Tongestaltungen mit Ines im Park und das Abschiedsritual
rundeten ein Wochenende ab, das die Gemüter des öfteren erhitzte
und somit niemanden kalt ließ. Ob ich einer Antwort meiner Anfangsfrage
näher gekommen bin, darüber streiten sich noch meine „Teilpersönlichkeiten“.